Internationaler Tag der Pflege am 12.5.: Fachkräftemangel bringt Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern an die Belastungsgrenze

„Wegen der Schwere seiner Erkrankung kann unser Sohn keinen Moment aus den Augen gelassen werden“, sagt Kristina W.. Ihr eineinhalbjähriger Sohn leidet an einer extrem seltenen, unheilbaren Speichererkrankung, die all seine Organe angreift und seine Lebenserwartung auf wenige Jahre beschränkt. Regelmäßig hat er Krampfanfälle mit Atemaussetzern. Die Krankenkasse hat der Familie eine Rund-um-die-Uhr-Pflege bewilligt – doch die sei gar nicht umsetzbar, sagt Kristina W.: „Der einzige Kinderkrankenpflegedienst in unserer ländlichen Region kann die 24-Stunden-Pflege gar nicht abdecken, weil ihm nicht genug qualifiziertes Personal zur Verfügung steht.“

Der deutschlandweite Fachkräftemangel in der Kinderkrankenpflege trifft Angehörige von unheilbar kranken Kinder, die absehbar sterben werden, besonders hart. Darauf weist der Bundesverband Kinderhospiz e.V. (BVK), die Dachorganisation stationärer und ambulanter Kinderhospize in Deutschland, anlässlich des „Internationalen Tags der Pflege“ am 12.5. hin und fordert, dass die Kinderkrankenpflege als Berufsfeld deutlich attraktiver werden muss.

„Fälle wie der von Familie W. sind inzwischen leider durchaus typisch“, sagt BVKH-Geschäftsführerin Sabine Kraft. „Eltern eines lebensverkürzend erkrankten Kindes müssen ohnehin mit der kaum erträglichen emotionalen Belastung leben, dass sie ihren Sohn oder ihre Tochter irgendwann für immer verabschieden müssen. Wenn sie bei der Pflege zu Hause dann auch noch zeitweise oder schlimmstenfalls Tag und Nacht auf sich alleine gestellt sind, weil qualifiziertes Fachpersonal fehlt, wird ihr Alltag zu einer unzumutbaren Herausforderung. Viele laufen Gefahr, bis zur völligen körperlichen und psychischen Erschöpfung zu pflegen.“

Längst müssten ambulante Kinderkrankenpflegedienste in vielen Regionen Deutschlands mit Wartelisten für neu anfragende Familien arbeiten, so Kraft weiter. Und auch viele der 15 stationären Kinderhospize Deutschlands, in denen betroffene Familien Entlastungsaufenthalte verbringen können, suchen dringend nach gut qualifizierten Pflege-Mitarbeitern.

Durchschnittlich nur 16 statt der 24 bewilligten Stunden sei eine Pflegefachkraft für ihren Sohn da, sagt Kristina W.. Die acht fehlenden Stunden muss sie gemeinsam mit ihrem Mann selbst abdecken, jeden Tag. Das geht an die Substanz – und schränkt das normale Familienleben stark ein. Für die vierjährige, gesunde Tochter bleibt kaum noch Raum.
„Ein Schwimmbadbesuch zu dritt, einfach mal einkaufen zu gehen oder entspannt Zeit miteinander zu verbringen, ohne in ständiger Habachtstellung sein zu müssen, weil unser Sohn vielleicht gleich wieder krampft – das ist das, was ein Familienleben ja eigentlich ausmacht. Bei uns ist das aber praktisch nicht mehr möglich“, sagt Kristina W. Dabei sind solche Momente der Entspannung – das berichten auch andere betroffene Eltern regelmäßig – unglaublich wichtig, um neue Kraft zu sammeln und den schwer belasteten Familienalltag überhaupt dauerhaft meistern zu können.

„Wir dürfen als Gesellschaft nicht länger zusehen, wie betroffene Eltern mit der Pflege ihrer lebensverkürzend erkrankten Kinder alleine gelassen werden“, sagt BVKH-Geschäftsführerin Sabine Kraft. „Diese Misere hat sich über Jahre entwickelt – und bis heute gibt es keine nachhaltige politische Lösung für den Notstand in der Kinderkrankenpflege. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen.“ Die unlängst auf Bundesebene beschlossene Reform der Ausbildung des Pflegepersonals reiche aller Voraussicht nach nicht aus, um den akuten Fachkräftemangel in der Kinderkrankenpflege zu beheben, kritisiert Kraft. Zwar falle mit der Reform das Schulgeld für das angehende Pflegepersonal weg. „So sinkt die Hürde, in den Beruf einzusteigen; das ist eine gute Nachricht“, sagt Kraft. „Die Attraktivität des Berufsfelds hängt aber letztlich stark von der Entlohnung des Personals und den Arbeitsbedingungen ab. Beides muss sich dringend verbessern. Ich bin derzeit skeptisch, dass die Ausbildungsreform dies bewirken kann.“

Der Bundesverband Kinderhospiz fordert die zuständigen Politiker daher auf, sich noch genauer über die Probleme in der Kinderkrankenpflege zu informieren, um dann Lösungen zu erarbeiten: „Die Politiker sollten sich den Arbeitsalltag ambulanter Kinderkranken-Pflegedienste vor Ort anschauen – und möglichst auch den sehr speziellen Pflegebedarf lebensverkürzend erkrankter Kinder“, sagt Sabine Kraft. „Dabei würden sie beispielsweise feststellen, dass bestimmte Dokumentationspflichten dringend entschlackt werden müssen. Weniger Bürokratie und mehr Zeit für die Pflege der kranken Kinder – das würde die Arbeitszufriedenheit vieler Fachkräfte und die Attraktivität des Berufsfeldes in vielen Fällen sicherlich steigern.“ Für viele Pflegekräfte mit eigenen Kindern sei auch ein weiterer Ausbau bezahlbarer Kindergarten- und Kita-Plätze eine dringend nötige Voraussetzung, um nach der Elternzeit in den Beruf zurückkehren oder ihre Stundenzahl aufstocken zu können. „Und nicht zuletzt muss sich die Politik für eine bessere Bezahlung der Fachkräfte in der Kinderkrankenpflege stark machen“, fordert Sabine Kraft.