Internationaler Tag der Pflege: Bundesverband Kinderhospiz und Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege weisen auf Fachkräftemangel hin

Der Fachkräftemangel in der Kinderkrankenpflege bedroht die Versorgung schwerst- und lebensverkürzend erkrankter Kinder in ganz Deutschland und verzögert immer wieder auch Entlassungen junger Patienten aus dem Krankenhaus. Darauf weisen der Bundesverband Kinderhospiz (BVKH) und der Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege (BHK) anlässlich des Internationalen Tags der Pflege (12.5.2018) gemeinsam hin.

„Wir sehen die gute Versorgung schwerst und lebensverkürzend erkrankter Kinder in ernsthafter Gefahr. Das bereitet uns große Sorgen“, sagt BVKH-Geschäftsführerin Sabine Kraft, die immer wieder von verzweifelten Eltern kontaktiert wird, die keine oder nicht genügend Pflegefachkräfte für die Versorgung ihrer Kinder zuhause finden.
Inzwischen sei ein regelrechter Wettbewerb zwischen ambulanten Pflegediensten und Kliniken um die raren gut ausgebildeten Kinderpflegefachkräfte entbrannt, ergänzt BHK-Geschäftsführerin Corinne Ruser: „Die Personalnot ist groß.“ Regelmäßig müssten die im BHK organisierten ambulanten Kinderkrankenpflegedienste kurzfristige Anfragen von Kliniken oder Familien mit Kindern mit schwersten Erkrankungen ablehnen: „Sie haben zumeist kein ‚freies‘ Pflegefachpersonal und finden dieses auch nicht auf die Schnelle“, so Ruser. „Für die Übernahme einer kompletten 24-Stunden-Versorgung eines schwerstkranken Kindes benötigt ein Pflegedienst je nach arbeitsvertraglicher Struktur bis zu 6,5 Vollzeitkräfte. Das sind bei der vergleichsweise hohen Teilzeitbeschäftigung in Pflegediensten schnell mal 15 Mitarbeiter oder mehr. Um ein solches Team neu zu rekrutieren, brauchen die Dienste Monate oder schaffen es gar nicht mehr – dann bleiben die Familien allein gelassen. Und kommen bei den Diensten dann noch zähe Einzelvergütungsverhandlungen mit den Krankenkassen dazu, zieht sich das Ganze noch weiter in die Länge – zu Lasten der Kinder, ihrer Familien und der Pflegedienste, die damit an den Rand ihrer Existenz gedrängt werden.“ Erschreckend hoch, und damit ein Beleg für diese Situation, sei die Zahl der Schiedsverfahren zwischen Krankenkassen und Kinderkrankenpflegediensten im Bundesgebiet, so Ruser.

„Immer wieder müssen Kinder deshalb länger im Krankenhaus bleiben als nötig. Das ist völlig unzumutbar“, sagt BVKH-Geschäftsführerin Sabine Kraft. „Denn gerade für lebensverkürzend erkrankte Kinder und ihre Angehörigen ist es fürchterlich, nach einer abgeschlossenen Krankenhausbehandlung nicht nach Hause gehen zu können, weil sich keine Pflegefachkräfte für die Versorgung dort finden lassen. Diese Familien wissen schmerzlich genau, dass die gemeinsame Zeit mit Sohn oder Tochter endlich ist – und wünschen sich daher, die verbleibende Lebenszeit so normal und gut wie möglich zu verbringen. Und dazu gehört eben nicht unnötige Krankenhausatmosphäre, sondern das eigene Zuhause.“
Hinzu kommt: Je nach Versorgungsumfang ist die Pflege zuhause meist kostengünstiger als im Krankenhaus. Oftmals möchten Eltern und die Familie den Pflegedienst nur einige Stunden am Tag oder in der Woche in Anspruch nehmen, um möglichst viel „ungestörte“ Zeit miteinander verbringen zu können. Sie schaffen es häufig also mit vergleichsweise wenig Unterstützung. Werden Familien aber aufgrund des Fachkräftemangels alleingelassen und sind dann überfordert, folgt oftmals die Klinikeinweisung. Diese Mehrkosten müssen dann die Krankenkassen tragen – und damit letztlich die Beitragszahler.

Elisabeth Schuh spürt jeden Tag aufs Neue, wie gravierend der Fachkräftemangel ist: Als Geschäftsführerin ist sie auch verantwortlich für den ambulanten Kinderkrankenpflegedienst des Vereins „Nestwärme“ in Trier. Dessen 70 Mitarbeiter versorgen 25 pflegebedürftige Kinder intensiv zuhause. Auch Elisabeth Schuh muss regelmäßig verzweifelte Eltern vertrösten und eine Warteliste führen: „In ganz Rheinland-Pfalz ist die Versorgungssicherheit akut in Gefahr“, sagt sie. Der Personalnot selbst Abhilfe schaffen kann sie nicht: „Als ambulanter Dienst dürfen wir keine Fachkräfte für Kinderkrankenpflege ausbilden. Die Ausbildung findet nur in Kliniken statt – und die bilden vor allem für ihren eigenen Bedarf aus. Wir sind also von vornherein benachteiligt, wenn es darum geht, an gutes Personal zu kommen.“ Sie sei häufig auch bundesweit in Kontakt mit Kinderkrankenpflegediensten und betroffenen Familien von Hamburg bis München, erläutert sie, und alle berichteten ihr ähnliches. „Eigentlich“, sagt Elisabeth Schuh, „bräuchte es einen regelrechten Aufschrei aller betroffenen Familien, damit die Politik versteht, wie groß das Problem ist und sich die Situation endlich ändert. Aber gerade die Familien, die ein pflegebedürftiges Kind haben – gerade diese Familien haben bei allen Alltagsbelastungen keinerlei Energie und Kraft mehr, sich für ihr Recht auf eine gute Pflege stark zu machen.“

„Für ein so reiches Land wie Deutschland ist es aus unserer Sicht ein Armutszeugnis, dass schwerstkranke Kinder und ihre Angehörigen bei der Pflege allein gelassen werden“, so Sabine Kraft. „Wir rechnen nicht damit, dass die beschlossene Reform der Pflegeberufsausbildung die Personalnot in der ambulanten Kinderpflege annähernd lindert“, sagt Corinne Ruser. „Heute kann eine Kinderkrankenschwester ein schwerkrankes Kind, wie z.B. Frühgeborene mit Folgeerkrankungen wie Anfallsleiden oder Lungenschädigungen daheim problemlos versorgen. Ob eine generalistisch ausgebildete Pflegefachkraft das in Zukunft ebenso gut kann, ist völlig offen. Klar ist nur: Für Berufsanfänger, die sich für eine Tätigkeit in der ambulanten Kinderkrankenpflege entscheiden, muss es künftig neue und auf die generalistische Ausbildung aufbauende Zusatzqualifikationen geben. Anderenfalls sind weitere Qualitätseinbußen bei der Versorgung schwerst kranker Kinder vorprogrammiert.“ Und Sabine Kraft ergänzt: „Die Politik muss endlich an den richtigen Stellschrauben drehen, damit der Pflegeberuf attraktiver wird. Pflegefachkräfte müssen für ihre wertvolle Arbeit besser entlohnt werden – und nicht zuletzt braucht es mehr kostenlose, wenigstens aber günstige Kinderbetreuungsangebote: So lange nämlich die Kitagebühr das eigene Einkommen fast völlig auffrisst, lohnt es sich für viele Pflegefachkräfte schlicht nicht, arbeiten zu gehen.“