Ehrenamtliche aus ambulanten Kinderhospizen unterstützen Familien mit schwerkranken Kindern, die absehbar sterben werden / Tag des Ehrenamts

Drei Stunden verbringt Nadin Lorenz jede Woche mit einem unheilbar kranken, kleinen Jungen – ehrenamtlich. „In Zeiten von Corona sind wir vor allem draußen unterwegs, um die Ansteckungsgefahr in geschlossenen Räumen für mein Hospizkind zu vermeiden“, erzählt sie. „Der kleine Junge ist fünf und liebt Rollenspiele. Deshalb habe ich immer Püppchen oder Hubschrauber beispielsweise dabei – und wir setzen uns dann einfach hin und spielen miteinander.“ Was Lorenz tut, klingt so banal – und ist doch so wichtig für den Jungen und seine Familie. Seit fast zehn Jahren schon ist die 39-jährige Nadin Lorenz ehrenamtliche Familienbegleiterin beim ambulanten Kinder- und Jugendhospiz Halle. Wie Lorenz engagieren sich überall in Deutschland Tausende Menschen ehrenamtlich in der Kinderhospizarbeit. Sie alle bringen ein wenig Normalität in Familien, die wegen der lebensverkürzenden Erkrankung ihres Kindes in einem permanenten Ausnahmezustand leben.

„Die wenigsten Menschen wissen, dass es ehrenamtliche Familienbegleiter überhaupt gibt – und wie wichtig deren Unterstützung für Familien mit schwerst kranken Töchtern oder Söhnen tatsächlich ist“, sagt Sabine Kraft, Geschäftsführerin des Bundesverbands Kinderhospiz (BVKH), anlässlich des Internationalen Tags des Ehrenamts am 5. Dezember. „Den Kindern verschaffen die Familienbegleiter Abwechslung und gute Momente – und den Eltern Entlastung. Kleine Zeitinseln, die unglaublich wichtig sind, um dringende Dinge zu erledigen oder einfach einmal durchzuatmen. Das hilft den Familien, ihren herausfordernden Alltag mit einem schwerstkranken Kind überhaupt zu bewältigen. Das Engagement der ehrenamtlichen Familienbegleiter ist so wertvoll, dass es breite gesellschaftliche Anerkennung verdient – und zwar an jedem Tag des Jahres.“

Der überwiegende Teil der Ehrenamtlichen engagiert sich – wie Nadin Lorenz – in einem der rund 200 ambulanten Kinderhospizdiensten in Deutschland; einige aber auch in den 17 stationären Kinderhospizen. Für alle gibt es spezielle Schulungen, die sie auf ihr Ehrenamt vorbereiten. Hierzulande haben rund 50 000 Familien eine Tochter oder einen Sohn, die an einer unheilbaren Krankheit absehbar sterben werden – und all diese Familien haben einen gesetzlichen Anspruch darauf, Unterstützung in ambulanten und stationären Kinderhospizen zu bekommen. „Ohne die Ehrenamtlichen wäre die Kinderhospizarbeit in ihrer heutigen Form schlicht unmöglich“, so BVKH-Geschäftsführerin Kraft. „Oft begleiten die Ehrenamtlichen eine Familie über viele Monate, teils Jahre. Dabei entwickeln sich eine Beziehung und Vertrauen. Für viele Betroffene ist ihr Familienbegleiter ein wichtiger sozialer Kontakt – gerade dann, wenn Freunde und Bekannte das schwere Schicksal eines lebensverkürzend erkrankten Kindes nicht mittragen können und sich abwenden.“

Gibt es eigentlich einen typischen Ehrenamtlichen in der Kinderhospizarbeit? „Nein.“ Bettina Werneburg, BVKH-Vorstandsmitglied und Leiterin des ambulanten Kinder- und Jugendhospizes Halle, schüttelt den Kopf. Es seien Menschen jeden Alters und mit den verschiedensten Berufen darunter. „Es ist eine bunte Truppe. Das einzig Typische: Es sind fast ausschließlich Frauen.“ Ihr Dienst habe derzeit 78 Familienbegleiter, erzählt Werneburg – davon gerade mal acht Männer. Und in praktisch allen ambulanten Kinderhospizen der Republik sieht es ähnlich aus.
Dabei sind in bestimmten Situationen gerade Männer gefragt: Dann nämlich, wenn in einer Familie mit lebensverkürzend erkranktem Kind der Vater fehlt. Und das ist ziemlich oft der Fall: „Viele betroffene Eltern-Paare zerbrechen an ihrer herausfordernden Lebenssituation. Nach einer Trennung kümmert sich dann meist die Mutter um das erkrankte Kind und dessen Geschwister“, erläutert Werneburg. „Viele dieser alleinerziehenden Mütter wünschen sich einen männlichen Familienbegleiter als Bezugsperson für ihre Kinder – gerade für ihre Söhne.“ Nur: Wegen des Männermangels können die ambulanten Kinderhospizdienste diesen Wunsch eben oft nicht erfüllen. „Es wäre daher großartig, wenn sich in Zukunft mehr Männer als bisher zu Familienbegleitern ausbilden ließen“, sagt Bettina Werneburg.

Viele Menschen engagierten sich deshalb ehrenamtlich für schwerstkranke Kinder und ihre Angehörigen, erzählt Werneburg, „weil sie etwas zurückgeben wollen. Gerade ältere Ehrenamtliche sagen oft: Ich habe gesunde Kinder, mir ist’s immer gut gegangen – und jetzt möchte ich Familien unterstützen, die nicht so viel Glück haben wie ich.“ Bei Nadin Lorenz war die Motivation ähnlich: Seit der Geburt ihrer beiden gesunden Kinder, sagt sie, „habe ich eine so große Dankbarkeit gegenüber dem Leben und gegenüber Gott, dass ich einfach etwas tun muss.“ Und dabei sei es längst nicht so, dass sie in ihrem Ehrenamt nur gebe – ganz im Gegenteil. Sie bekomme viel zurück: „Ich begleite die Familien nicht nur, sondern ich bin auch in der Rolle der Lernenden, der Staunenden. Ich habe große Hochachtung vor den Eltern, die ihr Kind haben sterben sehen. Davor, wie sie mit dem Verlust und dem Schmerz umgegangen sind und wie sie mit Demut und ohne Verbitterung weiterleben. Eine solche Großmut des Herzens habe ich sonst noch nie erlebt. Das ist mir ein großes Vorbild.“ Und das, was sie in ihren knapp zehn Jahren als Familienbegleiterin miterlebt hat, habe sie selbst als Menschen geprägt, sagt sie noch – und zwar im besten Sinne: „Man bekommt einen Blick für das Wesentliche im Leben.“

Tipp: Wer sich zum ehrenamtlichen Familienbegleiter ausbilden lassen möchte, kann die Kontaktdaten des nächstgelegenen Kinder- und Jugendhospizes bei OSKAR erfragen, dem kostenlosen Infotelefon der Kinderhospizarbeit. Telefon: 0800 / 888 4711.